Bislang galt für Ersttäter in der Führerscheinstelle: Für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, nach Abschluss des Strafverfahrens und nach Ablauf der Sperrfrist, muss ein Promillewert von 1,6 und ein positives Fahreignungsgutachten (MPU) erreicht werden.
Auch niedrige Promillewerte können bei Ersttätern zur MPU führen
Der VGH Baden-Württemberg hat nun in einem Beschluss vom 15.1.14 (A.Z.: 10 S 1748/13) entschieden. Auch bei darunter liegenden Promillewerten ist für Ersttäter die Anordnung der MPU rechtmäßig. Im Zuge der strafgerichtliche Verurteilung und Entziehung der Fahrerlaubnis (gleich mit welchem Promillewert) ist für ein Wiedererteilungsverfahren die Anordnung einer MPU notwendig. Folgender Fall war zu entscheiden: Der Betroffene hatte (als Ersttäter) eine Trunkenheitsfahrt mit dem Wert von „nur“ 1,2 Promille unternommen. Folgerichtig war er wegen Verstoßes gegen § 316 StGB verurteilt worden. Hier gilt die Grenze von 1,1 Promille. Aber auch die Anordnung der MPU sei rechtmäßig, so das Verwaltungsgericht:
Immer dann, wenn ein Fahrer im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit ein Fahrzeug geführt habe, liege Alkoholmissbrauch im Sinne von Nr. 8.1 Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) vor. Die MPU sei nach § 13 S.1 Nr. 2 Buchstabe d FeV i.V.m. § 13 S.1 Nr. 2 Buchst. a FeV daher zwingend anzuordnen.
Der Nachweis, dass der betroffene Ersttäter nicht zwischen Alkoholkonsum und Fahren „trennen“ könne, sei hinreichend bewiesen. Eine gesonderte Prüfung dieses Umstandes sei daher nicht mehr erforderlich. Zuvor hatte das selbe Gericht im Jahre 2012 (A.Z.: 10 S 452/10) noch entschieden, dass nur dann eine MPU anzuordnen sei, wenn der Schwellenwert von 1,6 Promille (vgl. § 13 S.1 Nr.2 Buchst. c FeV) nur „knapp unterschritten“ worden sei. Dem hatte sich das OVG Mecklenburg-Vorpommern in seinem Beschluss vom 22.5.13 (A.Z.: 1 M 123/12) angeschlossen. Die neue Entscheidung, die einen Wert von 1,2 Promille ausreichen lässt, ist auf starke Kritik gestoßen. Insbesondere wird kritisiert, dass es sich bei der zuvor genannten Norm um eine spezialgesetzliche Regelung handelt. § 13 S.1 Nr.2 Buchst a FeV sei aber kein allgemeiner Auffangtatbestand. Der Wille des Gesetzgebers sei daher durch die neue Praxis umgangen. Diese Sichtweise verdient Zustimmung.
Neuer Beschluss bald allgemein gültig?
Ob und inwieweit sich der neuen Praxis (also MPU ab 1,1 Promille) auch die Führerscheinstellen in anderen Bundesländer anschließen, ist derzeit noch offen. Viel spricht jedoch offenbar dafür, dass diese aktuelle Verwaltungspraxis auch in den anderen Bundesländern Einzug halten und höchstrichterlich abgesegnet wird. Der Verfasser dieses Beitrages hat in Gesprächen mit Führerscheinstellen in Berlin und Brandenburg erfahren, dass dies bei den dortigen Sachbearbeitern in Kürze erwartet wird.
Was also tun, wenn man auf Nummer sicher gehen will und die Fahrerlaubnis nicht länger als unbedingt erforderlich entbehren kann?
Klare Antwort: Als Betroffener sollte man sich schon ab 1,1 Promille rechtzeitig auf die Begutachtung vorbereiten um nicht wertvolle Zeit bei der Wiedererteilung des Führerscheins zu verlieren. Denn wenn die MPU angeordnet wird, kann sich die Neuerteilung der Fahrerlaubnis im ungünstigsten Fall weit über die Sperrfrist hinaus verzögern. Dies insbesondere, wenn der Nachweis einer sechs- oder zwölfmonatigen Alkoholabstinenz oder die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Therapie noch absolviert werden müssen. Bei den Betroffenen kann diese Maßnahme sehr bittere Auswirkungen – bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes – haben.
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