Strafklageverbrauch im Verkehrsrecht

Zwei Begriffe tauchen immer wieder in strafrechtlichen Erörterungen auf, wenn es um mehrere Taten geht: Strafklageverbrauch und Konkurrenzen.

Hier ist zunächst eine Differenzierung vorzunehmen: der Verbrauch der Strafklage betrifft die Frage, ob eine bestimmte Tat oder Handlung schon bestraft ist. Dies lässt sich nur mithilfe des prozessualen Tatbegriffs beurteilen (§ 264 StPO). Das sogenannte Konkurrenzverhältnis hingegen betrifft die Rechtsfolgen der Tat, nämlich die Frage nach Tateinheit (§ 52 StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB). Nun aber zum Strafklageverbrauch und damit zum Tatbegriff des § 264 StPO.

Niemand darf wegen derselben Tat mehrfach bestraft werden.

Das ist einer der wichtigen Grundsätze im Deutschen Strafrecht. Das Ordnungswidrigkeitenrecht kennt hingegen keinen eigenen Tatbegriff. Es gibt lediglich den § 46 I OWiG, der eine Bezugnahme auf § 264 StPO darstellt. Der zentrale Begriff ist hier die „natürliche Handlungseinheit“.

Schauen wir uns einmal folgenden Fall genauer an, er spielt in einer westfälischen Kleinstadt. Der Betroffene befuhr im alkoholisierten Zustand eine Straße dieser Stadt, wurde von der Polizei kontrolliert und wurde auf Alkohol kontrolliert, durch Entnahme einer Blutprobe auf der Polizeiwache. Mit dem Hinweis, er dürfe vorerst nicht mehr fahren, entließen ihn die Polizisten. Er nahm schnurstracks ein Taxi zu seinem Pkw und setzte mit diesem – nach der unwillkommenen Unterbrechung – die Fahrt fort. Ob immer noch unter ausreichend Alkohol, sei einmal dahin gestellt. Denn kurz darauf geriet er jedenfalls in eine Geschwindigkeitskontrolle: wegen des Zeitverlustes musste er schließlich schneller fahren, in diesem Fall genau 36 km/h zu schnell (innerorts). Hierdurch wurde eine weitere Geldbuße und ein Fahrverbot ausgelöst. Die Frage des Fahrens unter Alkohol stellte sich in dieser Handlungseinheit nicht, es wurde schlicht nicht auf Alkohol kontrolliert. Der Betroffene war nun im Bußgeldverfahren der Ansicht, die Fahrt sei insgesamt eine Tat, so dass die Trunkenheitsfahrt vor der Alkoholkontrolle nicht gesondert verfolgt werden dürfe.

Das OLG Hamm entschied in seinem Beschluss vom 8.8.08 (A.Z.: 2 Ss OWi 565/08, zfs 2008, S. 396), dass hierfür die Grundsätze zum Verhältnis zwischen § 316 StGB (Trunkenheit am Steuer) und § 142 StGB (Unfallflucht) anzuwenden sind. Der Betroffene habe nach der ersten Fahrt und der Alkoholkontrolle einen neuen Tatentschluss gefasst, ähnlich wie bei einem unter Alkohol begangenen Unfall und der anschließenden Unfallflucht. Der Betroffene – bzw. sein findiger Verteidiger – wandte ein, er habe aber doch bei beiden Fahrten das selbe Ziel verfolgt, nämlich – nun endlich – nach Hause zu kommen.

Gute Idee, aber leider ohne Erfolg.

Die natürliche Handlungseinheit wurde durch das Gericht daher abgelehnt. Nun ein paar grundsätzliche Überlegungen. Für die Verteidiger in Verkehrssachen bedeuten die genannten Überlegungen in erster Linie folgendes. Es ist im Einzelfall nach Gründen zu suchen, um eine rechtliche Verschmelzung zur materiell-rechtlichen Tateinheit nahezulegen. Anhaltspunkte hierfür können sich aus der Tatörtlichkeit oder z.B. der einheitlichen Beschilderung ergeben. Im Hinblick auf die weiteren Komponenten der natürlichen Handlungseinheit ist die Bedeutung der Einlassung des Betroffenen zu beachten. Wenn zum Beispiel herausgearbeitet werden kann, dass das (mehrfache) Fehlverhalten des Betroffenen letztlich seine Ursache in „gleichartiger Nachlässigkeit“ hat, kann das Gericht ggf. überzeugt werden, nur einmal bestrafen zu dürfen. Dies betrifft insbesondere Fahrlässigkeitsvorwürfe, z.B. § 229 StGB.  

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