Alkoholfahrt: Berufsgenossenschaft trägt die Beweislast

(Oranienburg) Rund um den Straßenverkehr kommt es immer wieder zum Streit um das liebe Geld, und zwar vor allem, wenn es „geknallt“ hat. Dann versuchen sich die beteiligten Parteien regelmäßig, den Schwarzen Peter zuzuschieben und sich aus der Zahlungspflicht zu argumentieren.  Diese Tendenz ist bei zahlungspflichtigen Haftpflichtversicherungen zu beobachten, wenn sie den Schäden ausgleichen sollen, aber auch bei z.B. der Berufsgenossenschaft (BG). Und immer wieder  geht es hierbei um  Probleme und offene Fragen im Zusammenhang mit dem Autofahren und Alkohol. Ist es normalerweise die alte Geschichte mit Strafverfahren, Führerscheinentzug oder Bußgeldverfahren (0,5-Promille-Grenze usw.), so kann das Thema „Trinken und Fahren“ auch in Arbeits- und sogar Sozialrechtlicher Hinsicht brisant werden. Unfälle auf dem Wege zur und von der Arbeit sind grundsätzlich unfallversichert, man spricht von sogenannten Wegeunfällen. Kommt es nun zu dem Einwand, dass ein Wegeunfall ausnahmsweise nicht dem gesetzlichen Versicherungsschutz unterfällt, nämlich weil der betroffene Fahrer alkoholisiert gefahren ist, trägt die Beweislast hierfür die Berufsgenossenschaft. Dies entschied das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in einer Entscheidung vom Frühjahr des letzten Jahres (Urteil vom 17.04.2012, A.Z.: L 3 U 543/10 ZVW).

Und das Gericht geht weiter ins Detail. Ist nämlich die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisbar, bleibt es bei der Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers. Der Kläger des entschiedenen Sachverhaltes war auf dem Heimweg von der Arbeit mit seinem Wagen von der Straße abgekommen und erlitt einen schweren Unfall. Erst mehr als fünf Stunden später begab er sich in ein Krankenhaus. Dort stellte man einen Bruch der Halswirbelsäule fest – aber eben auch eine Blutalkoholkonzentration von 1,5 Promille. Die Berufsgenossenschaft des Betroffenen lehnte die Bejahung eines Arbeitsunfalls mit der Begründung ab, der Unfall sei durch alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit verursacht. Nicht anders als bei vielen anderen Versicherungen auch versucht sich also die Berufsgenossenschaft ebenfalls, über den Einwand der Alkoholfahrt aus der Zahlungspflicht zu argumentieren. Vorliegend jedoch ohne Erfolg. Das Bayrische Landessozialgericht entschied nämlich zugunsten des Klägers. Seine Angabe, er habe nach dem Unfall – sozusagen auf den Schreck – erst mal einige Schnäpse getrunken, schließe eine Rückrechnung der Blutalkoholkonzentration von 1,5 Promille auf den Unfallzeitpunkt aus. Welche Menge Alkohol der Kläger vor und nach dem Unfall getrunken hatte, sei trotz umfangreicher Beweisaufnahme nicht mehr aufklärbar gewesen. Die Aussagen der befragten Zeugen (Arbeitskollegen, Nachbarn usw.) hätten keinen entsprechenden Nachweis erbracht. Ein medizinisches Sachverständigengutachten habe verneint, dass ein jahrelanger überhöhter Alkoholkonsum die erhebliche Alkoholisierung des Klägers im Unfallzeitpunkt erkläre. Allein bewiesen sei deshalb der Unfall auf dem versicherten Nachhauseweg. Für den Einwand, der Unfall sei entscheidend auf die Alkoholisierung des Klägers zurückzuführen, sei die Berufsgenossenschaft im Ergebnis beweisfällig geblieben. Der Unfall war deshalb als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Generell sollte man bei der Abrechnung von Unfallfolgen jeweils genau prüfen lassen, ob die vorgenommenen Abzüge berechtigt sind. Denn oftmals wird einfach gekürzt und dann abgewartet, ob der Anspruchssteller „ernst macht“, sprich klagt. Und  hier kommt ein Faktor ins Spiel, der oftmals das Zünglein an der Waage ist: das Eingreifen einer Rechtsschutzversicherung. Denn nur wenn eine solche im Hintergrund ist, kann sich der Betroffene oftmals das Kostenrisiko leisten, sprich das Risiko eines Rechtsstreites auf sich nehmen. Daher ist die Rechtsschutzversicherung aus meiner Sicht auch eine wirklich wichtige Versicherung. Über die Notwendigkeit vieler anderer Versicherungen lässt sich sicherlich trefflich diskutieren, über eine Rechtsschutzversicherung meiner Meinung nach nicht. Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine solche Versicherung schon für weit unter € 100,- pro Jahr (!) zu haben ist